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My Lai oder die Dämme der Menschlichkeit

Heute ist der 40. Jahrestag des Massakers von My Lai. 1968 hat die Charlie Kompanie, unter dem Kommando von Lt William Calley, mit dem Auftrag den Vietcong zu finden und zu eliminieren, das Dorf My Lai in der Gemeinde Song Li (ca 540 km NO von Ho-Chi-Minh-Stadt) angegriffen. Dabei wurden 504 Zivilisten (vornehmlich Alte, Frauen und Kinder) von den US-Soldaten massakriert. Neben Vergewaltigungen, die praktisch an der Tagesordnung waren, wurden in My Lai «[Bewohner] mit Bajonetten und Messern verstümmeln. Ohren und Köpfe wurden abgetrennt, Kehlen aufgeschlitzt und Zungen herausgeschnitten, Skalps genommen. Brunnen wurden vergiftet, Häuser und Vorräte wurden in Brand gesteckt», sagen sowohl Pham Thanh Cong, der letzte Überlebende des Massakers, als auch der Untersuchungsbericht der USA.

Ein Soldat verletzte sich absichtlich, um dem Töten der Zivilisten zu entgehen. Herbert Carter, der einzige Verletzte der US-Truppen bei My Lai, schoss sich in den Fuss, um vom Töten wegzukommen. «Glückwunsch den Offizieren und Mannschaften zum ausgezeichneten Gefecht» telegrafierte General William Westmoreland, Oberbefehlshaber der Truppen in Vietnam, an die Charlie Kompanie!

Einzig der Hubschrauberpilot Hugh Thompson kommt den Bewohnern zu Hilfe und fliegt 16 Vietnamesen aus der Gefahrenzone aus. Glenn Androtta und Lawrence Colburn, die beiden Bordschützen, erhalten von ihm den Befehl auf die amerikanischen Truppen zu feuern, falls diese versuchen die Evakuation zu verhinden. Ein gewisser Collin Powell war damals als Kommandant der Brigade unter der die Charlie Kompanie diente bei seinem zweiten Vietnameinsatz. Er wurde ca 3 Monate nach dem Massaker von einem beteiligten Soldaten in einem Brief, den er via Kommandokette erhielt, über die Vorgänge in My Lai informiert. Er unterliess es jedoch etwas zu unternehmen. Erst ein gutes Jahr später fertigte ein anderer Beteiligter Soldat eine schriftliche Aussage an und verschickt sie an den Kongress in Washington und an diverse Abgeordnete. Der damals noch junge Seymour Hersh recherchierte die Hintergründe und suchte Soldaten der Charlie Kompanie in den USA.

Pham Thanh Cong überlebt, indem er sich unter dem Leichenberg in My Lai versteckte. Lt Calley wurde von einem Militärgericht zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt. 1974 aber durch Nixon begnadigt. Thompson, Androtta und Colburn erhielten 1998 die Soldier’s Medal der Army – als höchste Auszeichnung für ihre lebensrettende Tapferkeit. Cong lebt mit seiner Familie in My Lai. Hersh wurde 1970 mit dem Purlitzer Preis für seine My Lai-Geschichte ausgezeichnet. Und Collin Powell wurde neben dem Befehlshaber der US-Streitkräfte (unter Bush sen) auch noch Aussenminister (unter Bush jun). Auch Westmoreland kam ohne jegliche Konsequenzen davon und das My Lai Massaker ging als «bedauerlicher Einzelfall» in die Geschichtsbücher ein. Dabei wird leider vergessen, dass das Vorgehen gegen Zivilisten und Vergeltungsmassnahmen gegen Dörfer und Städte an der Tagesordnung waren. In Vietnam fielen mehr Bomben als während dem gesamten zweiten Weltkrieg und grosse Teile des Landes wurden durch den Einsatz von chemischen Kampfstoffen Agent Orange verseucht. Es wurden Napalm- Phosphor- und Splitterbomben in riesiegen Mengen eingesetzt.

Zudem wurden bestimmte Gebiete in Vietnam zu «free fire areas» gemacht d.h. jeder Pilot oder Soldat hatte den Befehl und die Erlaubnis EIGENMÄCHTIG auf alles zu schiessen oder zu bomben, was sich in diesen Gebieten bewegte. Sehr oft wurden dabei v.a. Bauern und ihre Büffel auf den Feldern von Hubschrauberschützen erschossen. Oder eine solche «killing-zone» wurde tagelang von B-52 Bombern und Jagdbombern eigeebnet.

Im Vietnamkrieg fielen neben gut 60’000 US-Soldaten, zwischen 2 und 3 Millionen Vietnamesen. Das heisst auf jeden Soldaten der US-Armee kamen zwischen 33 und 50 getötete Vietnamesen. Dabei handelte es sich nach Schätzungen bei bis zu 70% der Opfer um Zivilisten resp «Nichtkombattanten» gemäss Völkerrecht. Das heisst auf jeden toten US Soldaten kamen zwischen 23 und 35 vietnamesische Zivilisten.

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